Gedanken zum Wert Einigkeit

In den Sommerferien flogen wir oft in den Süden. Wir hatten endlich sechs Wochen schulfrei. Drei Wochen verbrachten wir am Mittelmeer, den Rest der Zeit machten wir es uns zu Hause gemütlich, und meine Eltern bereiteten sich auf das neue Schuljahr vor.

Wir standen mitten in der Nacht auf und fuhren durch das graue Häusermeer mit dem Taxi zum Flughafen. Beim Start nahmen meine Eltern mich an der Hand, und wir lachten und weinten ein bisschen. Der Kapitän begrüßte uns in monotonem Tonfall, dann drückte die Geschwindigkeit uns in die Sitze, und wir hoben ab. Einmal durfte ich während des Flugs sogar ins Cockpit, sah die unzähligen Knöpfe und Apparaturen, die den tonnenschweren Vogel mit uns im Bauch in der Luft hielten. Nach der Landung klatschten alle Passagiere erleichtert Beifall.

Im Hotel angekommen, konnte ich es kaum abwarten, endlich im leichten Sommerkleidchen barfuß zum Strand zu laufen, den heißen Sand zwischen den Zehen zu spüren, vor dem gewaltigen, sanft rauschenden Freund die Arme auszubreiten und das Meer, mein Meer, erneut in meinem kleinen Leben willkommen zu heißen. Ich liebte das Meer, auf dessen ruhigem Wellenschlag das gleißende Sonnenlicht tanzte. Jedes Jahr versprach ich ihm zum Abschied wiederzukommen, und wenn meine Eltern im darauf folgenden Sommer beschlossen, mit dem Auto in die Berge zu fahren, war ich untröstlich, fühlte ich mich als Verräterin.

Ich erinnere mich an den Duft von Sonnencreme, leisen Gesang aus einer entfernten Taverne, das Zirpen der Grillen, die mittägliche Hitze, die uns zu einer Siesta verführte, und eine Großfamilie am Strand, die ebenso wie mein Vater mit großem Interesse die Mondlandung der Apollo 15 verfolgte. Während ich mit den Kindern spielte und umherrannte, hörte ich meinen Vater mit dem Familienoberhaupt radebrechen. Meine Mutter saß im Schatten, die Haare mit einem breiten Stirnband zurückgenommen. Sie war keine gute Schwimmerin, ging nie ins Wasser.

Griechisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch – Sprachen umflossen mich wie Musik. Abends tanzten wir mit Fremden im Kreis. Ich durfte länger aufbleiben und bestaunte den nächtlichen Sternenhimmel. Ein Kellner schenkte mir eine Ikone, auf Holz gefasst. Ich war sieben Jahre alt und wohl ein bisschen verliebt.

Die Sommer meiner Kindheit waren reines Glück. Es ist nicht wahr, dass wir das Glück nicht erkennen, wenn es uns begegnet. Das wusste ich schon als Kind. Es drang durch meine Augen, meine Ohren und meine Haut und nahm Platz in mir. Bis zum nächsten Sommer.

„Der Glückliche ist mit sich und seiner Umgebung einig.“ (Oscar Wilde)