„Eigentlich wollte ich noch Blumen kaufen“, beginnt Astrid Klingen, während sie Kaffee serviert. Wir sitzen neben ihrer Werkstatt im Ausstellungsraum. „Ich mag es, wenn alles schön ist“, sagt sie. In einer großen Schmuckvitrine und zwei kleinen Schaukastentischen präsentiert sie ihre Schmuckstücke: Ketten, Ringe, Ohrringe aus Silber, Gold, Perlen und Edelsteinen – Granat, Citrin, Amethyst, Aquamarin. Ihr Stil: von verspielt bis schlicht und grafisch-streng. Die Sonne scheint herein, auf der Fensterbank steht eine kleine Etagère mit Pralinen und Törtchen. „Im Sommer können meine Kursteilnehmer im Garten essen, die Werktische kann ich leider nicht draußen montieren. Mein Traum wäre es, irgendwann mal Sommerkurse in Südfrankreich zu geben.“

Auf der Suche nach dem richtigen Beruf dachte sie zunächst an Innenarchitektur, versuchte sich in der Landschaftsplanung, um ihre gestalterische Begabung mit ihrer Liebe zur Natur zu verbinden, und war unglücklich. Ihre Berufung fand sie eher durch Zufall: „Noch heute sehe ich die Straßenkreuzung vor mir, an der wir an einer roten Ampel warteten. Ich klagte meiner besten Freundin mein Leid. Sie sagte mir auf den Kopf zu: ,Du musst etwas mit Schmuck machen, das ist sowieso deine Leidenschaft. Mach doch Schmuckdesign.‘ Und da fiel der Groschen, aber ganz gewaltig“, erinnert sie sich. Astrid Klingen erlernte als Goldschmiedin von Grund auf das traditionelle Handwerk, im anschließenden Schmuckdesign-Studium lag der Schwerpunkt auf der Gestaltung. „Das ist es 100-prozentig“, war sofort ihr Gefühl.

Für Firmen Entwürfe zu gestalten, die in Serienproduktion gehen, das entspricht ihr nicht. Ihre Entwürfe sind Unikate. Nach dem Diplom arbeitete sie freiberuflich, eröffnete bald darauf mit einer Freundin einen kleinen Laden und begann Kurse zur Schmuckherstellung zu geben. Nach 10 Jahren trennten sie sich und Astrid Klingen machte sich allein selbstständig, ohne Ladenöffnungszeiten, individuell und flexibel auf die Kunden abgestimmt. „Ich verkaufe nichts übers Internet“, betont sie, „die Hälfte meiner Aufträge sind Neuanfertigungen oder Umarbeitungen von altem Schmuck auf Basis eines intensiven Gesprächs.“ Im Dialog zu sein ist ihr wichtig. „Im besten Fall habe ich langjährige Kundinnen und weiß, was sie mögen. Es macht mir viel Freude zu merken: Das ist genau für diese Frau passend. Während der Herstellung bin ich dann oft in Gedanken bei diesem Menschen. Ihnen würde ich auch kein Gelbgold empfehlen“, rät sie mit einem erfahrenen Blick auf meine Haut-, Augen- und Haarfarbe und die silbernen Ringe.

Für Astrid Klingen ist Schmuck kein oberflächliches Dekor, sondern etwas ganz Persönliches. Sie erzählt von einer langjährigen Kundin, die eine lange Perlenkette von ihrer Großmutter geerbt und ihr ein Foto der damals noch jungen Frau gezeigt hat. Der Wert der Schmuckstücke bemisst sich für sie nicht nur in Edelmetall, Brillanten und Karat, sondern ebenso in persönlicher Geschichte und individueller Beziehung. Die größte Anerkennung für sie: Wenn ein Schmuckstück zum Lieblingsstück wird und die Kundin es jahrelang trägt, ein Ring so täglicher Begleiter ist.

Die Steine bezieht sie aus einer Schleiferei in Idar-Oberstein, einem alten Familienunternehmen: „Vielleicht müssen die Steine noch nicht mal so teuer sein, aber sie müssen einfach eine Ausstrahlung haben, dürfen gerne ein bisschen eigenwillig sein.“ Sie trägt selbst entworfene Wechsel-Ohrringe aus Onyx und einen Spiel-Ring mit Aufsätzen aus Turmalin und Sternrubin. „Die Idee zu auswechselbaren Steinen hat mich schon lange beschäftigt und kam mir in völlig entspanntem Zustand kurz vorm Einschlafen“, erzählt sie. „Das kommt super an.“

Die kleine Werkstatt ist voll ausgestattet mit Emaille-Ofen, Metallwalze, Löt-Tisch und zwei Werktischen, einem großen Holzblock, zahlreichen Handsägen, Hämmern, Feilen und kleinen Gerätschaften. Am großen Werktisch können mehrere Personen gleichzeitig arbeiten. Man sitzt vor halbrunden Ausbuchtungen, über die Feilnägel aus Holz montiert sind. Darunter aufgespannte Lederwannen fangen den Metallabrieb auf. „Zuerst lernt man aussägen. Das ist die Grundlage für alles“, erklärt Astrid Klingen. „Ich sorge dafür, dass jeder etwas Fertiges mit nach Hause nehmen kann.“ Ihr Tisch steht am Fenster, hier versenkt sie sich ganz in die Gegenwärtigkeit ihres Tuns: „Am liebsten arbeite ich über mehrere Stunden und komme dabei komplett in den Flow. Ich tanke hier völlig auf und finde so absolute Erfüllung. Darum liebe ich diesen Beruf.“ Nicht mehr Schmuck zu machen, das kann sie sich nicht vorstellen.

Ihre aktuelle Arbeit: ein eigener Ring mit einem Rauchquarz, der einer Kundin als Muster dienen soll. Den Stein hat sie aus einer alten Brosche ihres Großonkels entnommen. „Schmuck für mich selbst mache ich fast nie. Das ist etwas ganz Besonderes“, freut sie sich. Astrid Klingen ist eine Schmuckdesignerin, die Intensität im persönlichen Kontakt mit ihren Kunden aufbaut, sich ganz in ihre Arbeit versenkt und so Schmuck von individuellem Wert schafft.

Ihre Zukunft steht ihr klar vor Augen: „Ich mache meinen Schmuck in einer wunderschönen Umgebung, vermittle in Urlaubskursen Wertschätzung für das Handwerk und stelle regelmäßig aus.“ Sie lacht herzlich. Schmuck und Natur in harmonischer Verbindung – ein Lebensprojekt. Auch dieses innere Bild wird sie zu einem schönen Unikat formen.